Aufstand gegen AdenauerDie „Göttinger Erklärung“ von 1957

Kurzbeschreibung 

Was waren die Ursachen dieses politischen Manifests und wie erklärt sich seine starke Wirkungskraft?

Zornesröte – diese dürfte Konrad Adenauer am 13. April 1957 im Gesicht gestanden haben, als er von einer politischen Tat erfuhr, die all seine Wahlkampfpläne mit einem Mal zu durchkreuzen drohte. Soeben hatten nicht weniger als 18 Professoren der Kernphysik[1] in einer „Göttinger Erklärung“[2] der Öffentlichkeit ihre „tiefe Sorge“ über die „Pläne einer atomaren Bewaffnung der Bundeswehr“ mitgeteilt. Damit kritisierten sie natürlich die Bundesregierung, letztlich vor allem den Kanzler Adenauer und den Verteidigungsminister Franz Josef Strauß. Auflagenstarke Tageszeitungen wie Die Welt oder die Frankfurter Allgemeine Zeitung druckten den Wortlaut des Manifests und verfassten zustimmende wie würdigende Kommentare.[3]

Das politische Manifest behauptete sich in der in- wie ausländischen Berichterstattung der Presse auch noch in den folgenden Wochen an prominenter Stelle.[4] Damit hatte Adenauer ein Problem: Denn dem Kanzler stand sein dritter Bundestagswahlkampf bevor. Und ganz offenkundig stand die öffentliche Meinung gegen ihn.

Wie aber konnten 18 Universitätsprofessoren eine Regierungskrise auslösen? Und was bewegte sie überhaupt zu ihrem Ausbruch aus dem akademischen Elfenbeinturm? Die Analyse des politischen Protests der „Göttinger Achtzehn“ zeigt, wie die professionelle Politik in Gestalt von Regierungschefs, Ministern und Parlamentariern von erklärtermaßen nichtpolitischen Experten korrigiert, die politische Urteilskraft der Wähler gestärkt werden kann. Und sie hinterfragt die Rolle vorgeblich neutraler Experten in der Politik.

Die Göttinger Erklärung ist viele Jahrzehnte lang einhellig als bemerkenswerter Akt des Gewissens gedeutet worden.[5] Doch verbarg sich hinter ihr eine komplexe Ansammlung unterschiedlicher Motive, von denen das moralische allenfalls eines unter mehreren ist.[6] Keineswegs alle der Göttinger Achtzehn, die das Manifest unterzeichnet hatten, dürften diesen Schritt aus reinen Gewissensbissen vollzogen haben. Dennoch gelang es ihnen – damals und im weiteren Verlauf der Geschichte –, anderweitige Beweggründe zu verbergen und ihre politische Aktion als eine einmalige Tat erklärter Nichtpolitiker darzustellen.

Eine genauere Untersuchung zeigt, dass die Ursachen für die Begebenheiten im April 1957 etliche Jahre in die Vergangenheit zurückreichen, dass die Göttinger Erklärung eigentlich nicht in jenem Jahr, sondern bereits in den 1940er und frühen 1950er Jahren angelegt war. Sie deckt die Strategien auf, mit denen einige der Manifestanten ihre egoistischen Ziele unter dem Deckmantel einer allgemeinwohldienlichen und selbstlosen Handlung verhüllten.

Aufbruch ins Atomzeitalter: die Motive der Manifestanten

Motiv: Moral und Gewissen

Max Born repräsentiert unter den Unterzeichnern den Typus des gewissensgetriebenen Forschers, der mit den Ergebnissen seiner Arbeit moralische Bedenken verband und daraus die Pflicht zur öffentlichen Stellungnahme ableitete. Er hatte einst die Erbauer der Atom- und der Wasserstoffbombe, J. Robert Oppenheimer und Edward Teller, in den Geheimnissen der Quantenphysik unterwiesen. Dass sie in der Lage gewesen waren, ihr Wissen zur Konstruktion derart zerstörerischer Waffen zu verwenden, zeigte ihm, dass er seinen Schülern keine moralischen Grenzen gelehrt, dass er ihre ethische Bildung zugunsten der wissenschaftlichen vernachlässigt hatte. Unter dem frischen Eindruck der Atombombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki sowie des Wettrüstens zwischen West- und Ostblock fasste Born in den späten 1940er, frühen 1950er Jahren den Entschluss, die nachwachsenden Physiker-Generationen zu moralischem Denken zu verpflichten, ihnen den sorgfältigen Umgang mit ihrem Wissen nahezulegen und sie aufzufordern, gegen politischen Missbrauch von Forschungsergebnissen vorzugehen. Und Born wollte die Öffentlichkeit für die kritische Beobachtung politischen Handelns sensibilisieren, wollte die Bürger vor den Risiken von Atomwaffen warnen.

Zugleich fand er darin nach seiner Emeritierung ein willkommenes Tätigkeitsfeld, um nicht das Dasein eines Pensionärs zu fristen, dessen berufliche Arbeit vorüber ist und der anschließend keine richtige Aufgabe im Leben mehr hat. Außerdem beflügelte ihn der Nobelpreis, den ihm 1954 die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften in Anerkennung seiner Arbeiten in den 1920er Jahren verliehen hatte. Born verfasste fortan Schriften und hielt Rundfunkvorträge;[7] 1955 unterzeichnete er die u.a. von ihm initiierte Mainauer Kundgebung, in der er wie zwei Jahre später in dem Göttinger Manifest die Regierungen sämtlicher Länder davor warnte, mit Atomwaffen irgendwann die Welt zu zerstören.

Motiv: Wissenschaftspolitik

Borns Mitunterzeichner Werner Heisenberg, Otto Hahn und Walther Gerlach hingegen waren Wissenschaftsorganisatoren. Ihnen ging es vorwiegend um das öffentliche Renommee der Kernphysik. Denn viele Bürger – und damit Wähler – verbanden mit kernphysikalischen Arbeiten die Bilder von Hiroshima und Nagasaki, die Angst vor einem Dritten Weltkrieg und atomarer Apokalypse.[8] Die westdeutsche Kernphysikerelite befürchtete, dass viele in der Kernphysik schlicht eine Wissenschaft mit Todesfolge, nicht eine des zivilisatorischen Fortschritts sahen. Unter dieser Bedingung würden es die Atomwissenschaftler naturgemäß schwer haben, die Förderung ihrer Arbeiten als vordringliche Aufgabe des Staats zu präsentieren. Also benötigten sie die Fürsprache der – wählenden und steuerzahlenden – Bevölkerung der Bundesrepublik, um gegenüber den politischen Entscheidern ihre kostspieligen Ansprüche geltend zu machen. Denn solange ein Großteil der westdeutschen Bürger kernphysikalischen Arbeiten mit Skepsis begegnete, würde es für sie schwer sein, staatliche Fördergelder zu beanspruchen. Und Atomforschung war teuer, längst aus dem Stadium ihrer Anfänge herausgewachsen. Genügten anfangs, in den 1920er Jahren, noch Holztische, Reagenzgläser und Chemikalien, um kernphysikalische Experimente durchzuführen – manchmal gar nur Papier und Bleistift für quantenmechanische Berechnungen –, benötigten Nuklearwissenschaftler nach dem Zweiten Weltkrieg gigantische Forschungsanlagen, Reaktoren und größere Uranmengen, kurzum: eine sündhaft teure Infrastruktur.

Viele der Göttinger Achtzehn befanden sich damals noch inmitten ihrer wissenschaftlichen Karriere, waren nicht wie Max Born im Ruhestand oder hatten wie Werner Heisenberg ihren Zenit bereits überschritten. Sie besaßen Ambitionen, fühlten sich zu großen Forschungsleistungen berufen und wollten einen Spitzenplatz in der weltweiten Hierarchie ihres Fachs einnehmen. Sie wollten bedeutende Arbeiten ausführen, Schulen begründen und Nobelpreise gewinnen.

Doch all das blieb ihnen in der Bundesrepublik der 1950er Jahre verwehrt. Sicher, zunächst verbot ihnen das alliierte Besatzungsstatut derlei Arbeiten; doch die Aufhebung beschränkender Bestimmungen zeichnete sich ab, Vorbereitungen ließen sich bereits treffen, um die vorausgeeilten Kollegen in den Vereinigten Staaten, der Sowjetunion oder Großbritannien einzuholen und am Ende vielleicht sogar zu übertreffen. Daher bemühten sich viele Manifestanten seit geraumer Zeit vor der Göttinger Erklärung um das Öffentlichkeitsbild ihres Metiers, betrieben regelrecht eine PR-Kampagne. Allen voran Otto Hahn und Werner Heisenberg – beide Nobelpreisträger, Ersterer überdies Präsident der Max-Planck-Gesellschaft – nutzten ihre Prominenz und ihren Status als ausgewiesene Fachmänner, um in zahllosen Reden, Interviews und Aufsätzen gegenüber Presse, Wirtschaft und Politik die Atomforschung als unabdingbare Notwendigkeit des sozialen und wirtschaftlichen Fortschritts der Bundesrepublik darzustellen.[9]

Dabei unterschieden sie die Kernkraft in die todbringende Verwendung in Form militärischer Sprengköpfe für Bomben und Raketen auf der einen Seite und die segensreiche Nutzung in der Medizin sowie als vermeintlich saubere und unerschöpfliche Energiequelle auf der anderen Seite. Wo sie nur konnten, verdeutlichten sie den fortschrittlichen Nutzen nuklearer Technologien des zivilen Bereichs, in Gestalt von Kernkraftwerken, Schiffs-, Flugzeug- und vielleicht sogar Autoantrieben. Sie malten utopische Szenarien, in denen Energieprobleme der Vergangenheit angehören und Kernkraft im Haushalt hilft und bis dato tödliche Krankheiten heilt.

Doch all ihre jahrelangen Bemühungen drohten durch das Handeln der Bundesregierung vergebens zu sein. Denn Konrad Adenauer und sein Verteidigungsminister Franz Josef Strauß spielten plötzlich mit dem Gedanken, die Bundeswehr mit Atomwaffen auszurüsten. Sie zweifelten das militärische Schutzversprechen der Vereinigten Staaten an, befürchteten, die Amerikaner könnten im Ernstfall die Panzer der Roten Armee nicht bei ihrem Vormarsch in westdeutsches Territorium aufhalten, um keinen atomaren Gegenschlag zu riskieren.

Was aber würde dann geschehen? Also spielten Adenauer und Strauß mit dem Gedanken an ein eigenes nukleares Waffenarsenal für die Bundesrepublik – wenigstens die technische Möglichkeit, dass deutsche Soldaten solche Waffen abfeuern könnten. Außerdem wollten sie der jungen Bundesrepublik im internationalen Machtgefüge zu neuer Geltungskraft verhelfen, wollten zu den nachrückenden Atommächten wie Frankreich und Großbritannien gehören.[10] Strauß und Adenauer mochte zwar keine Wiederkehr Deutschlands als militärische Großmacht vorschweben, doch strebten sie nach Unabhängigkeit und Einfluss. Wie gesagt, sie wollten sich nicht auf die fragwürdige Garantie der NATO verlassen, Westdeutschland zu verteidigen, und versuchten daher, eigene Kraft zu sammeln.

Für die Kernphysiker war das ein Problem. Die politischen Pläne der Regierung gefährdeten ihre eigenen. Denn sie vermuteten, im Ausland könnten, nur zehn Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, erschrockene Reaktionen auf westdeutsche Atomwaffen neuerliche Verbote ihrer erst langsam wieder in Gang gekommenen Forschung bewirken.[11] Außerdem hatten sie stets versichert, in der Bundesrepublik werde ausschließlich friedliche Kernforschung betrieben. Adenauer und Strauß drohten also mit ihrem Vorhaben, das sie stellenweise auch in den Medien eingestanden, sämtliche Bemühungen westdeutscher Atomwissenschaftler zunichtezumachen, die mühsame PR-Arbeit kurzerhand zu konterkarieren.

Also beschlossen sie, dringend in aller Öffentlichkeit klarzumachen, niemals militärische Forschungsarbeiten auszuführen und die Bundesregierung gleichfalls auf den Verzicht jeglicher militärischer Nutzung der Kernenergie zu verpflichten. Die Göttinger Erklärung war zum einen Bestandteil besagter PR-Kampagne westdeutscher Kernphysiker; zum anderen sollte sie der militärischen Kernkraftnutzung eine endgültige und zweifelsfreie Absage erteilen. Mit ihr versuchten einige der Manifestanten, die Politik der Bundesregierung für ihre Interessen zu gewinnen und in eine bestimmte Richtung zu lenken.

Motiv: Politisch-intellektuelle Positionierung

Karriere und persönlicher Erfolg – diese Triebkraft für die Beteiligung an dem Göttinger Manifest findet sich auch bei Carl Friedrich v. Weizsäcker. Bei ihm war sie vermutlich sogar am stärksten. Denn der Freiherr war Initiator, Organisator und wesentlicher Verfasser der Göttinger Erklärung. Sein Engagement war von den 18 Unterzeichnern mitunter am energischsten. Und doch gehörte er nicht zu jenen, welche die Atomforschung in erster Linie salonfähig und förderungswürdig machen wollten. Der Kernphysiker v. Weizsäcker wollte sich mit dem Manifest stattdessen auf einem für ihn neuen Karrierefeld behaupten, das er vorsichtig bereits in den 1940er Jahren betreten hatte. Viele Charakterzüge und Karriereentscheidungen aus seinem bisherigen Leben deuten jedenfalls darauf hin.[12]

Erstens wuchs v. Weizsäcker in einem politischen Umfeld auf. Sein Vater Ernst v. Weizsäcker war Diplomat, später Staatssekretär des Reichsaußenministers Joachim v. Ribbentrop. Als Kind erdachte sich Carl Friedrich v. Weizsäcker politische Szenarien, die er in einer „Piklön“ genannten Fantasiewelt mit Familienangehörigen und Freunden spielte. Er bewunderte den römischen Kaiser Augustus für dessen angebliche Leistung, eine funktionierende Ordnung errichtet und weitgehend Frieden hergestellt zu haben. Am liebsten, so schien es, wäre v. Weizsäcker in die Rolle eines gerechten Herrschers geschlüpft, unter dessen Regentschaft stets Friede und Wohlstand gewährleistet wären.

Zweitens ließ v. Weizsäcker einen gesunden Ehrgeiz erkennen, der sich nicht mit einem gewöhnlichen Status zufriedengab. Allein seine Familie bürdete ihm dahingehend einen gewissen Druck auf, hatten die v. Weizsäckers doch im Verlauf der Jahrhunderte stets große Persönlichkeiten hervorgebracht, u.a. den letzten Ministerpräsidenten Württembergs des wilhelminischen Zeitalters. Da durfte er, der sich bereits im Knabenalter diverser Begabungen bewusst war, noch im vorpubertären Alter wissenschaftliche Fachzeitschriften las oder mit seiner Mutter über die Bergpredigt disputierte, natürlich nicht zurückstehen.

Von Weizsäcker suchte nach einem Beruf, der ihm zum einen geistige Erfüllung versprach und zum anderen Aufstieg verhieß, Ruhm und Erfolg. Über seine Familie lernte er gegen Ende der 1920er Jahre den rund zehn Jahre älteren Werner Heisenberg kennen – seinerzeit einer der jungen Stars der Quantenphysik, die sich gerade in einer besonders aufgeregten und innovativen Phase befand, in der eine revolutionäre Entdeckung die andere jagte. Heisenberg gewann den philosophisch interessierten jungen v. Weizsäcker für ein Studium der Physik, weil er ihm weissagte, dort könne man noch vor dem dreißigsten Lebensjahr zu großen Erfolgen kommen; anschließend könne er ja immer noch Philosoph werden.

Von Weizsäcker befolgte den Rat seines zukünftigen Mentors Heisenberg; und tatsächlich: Binnen kurzer Zeit promovierte und habilitierte er. Doch ein ähnlich bedeutender Forscher wie Heisenberg, der den Nobelpreis gewann und innerhalb der weltumspannenden Kernphysikergemeinde zu den Spitzenreitern zählte, wurde v. Weizsäcker nicht. Er hatte eben das Pech, in einer Zeit zu leben, in der eine außergewöhnliche Dichte von Genies in diesem Fach bestand – an der Seite von Heisenberg, Niels Bohr, Albert Einstein oder Wolfgang Pauli war er bloß einer unter vielen begabten Physikern, die zwar Professoren waren und die eine oder andere bedeutende Formeln errechneten, sich letztlich aber mit einem Patz in der zweiten Reihe begnügen mussten.

Daher blieb v. Weizsäcker unstet, suchte ruhelos nach neuen Gebieten, in denen er den erwünschten Status erreichen konnte. Noch während des Zweiten Weltkriegs kehrte er der Kernphysik den Rücken zu, trat an der Reichsuniversität Straßburg auf einen Lehrstuhl für theoretische Physik und beschäftigte sich mit Astronomie. Vor allem aber nahm er die Rolle eines politischen Physikers ein. Innerhalb der Gruppe deutscher Kernphysiker war er derjenige, der sich am stärksten mit den politischen Folgen der Atombombe beschäftigte.[13] Nachdem Otto Hahn im Herbst 1938 in seinem Berliner Laboratorium zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit einen Atomkern gespalten und damit die Möglichkeit zur nuklearen Energiegewinnung erschlossen hatte, dachte v. Weizsäcker an die Möglichkeit, diese Kernkraft militärisch zu nutzen.

Nächtelang sinnierte er über den Umgang mit diesem ebenso fatalen wie mächtigen Wissen. Sein offenbar noch ungestillter Ehrgeiz verleitete den Physiker dazu, das Wissen als Machtinstrument gegenüber den nationalsozialistischen Machthabern zu gebrauchen. Ja, er glaubte sogar, mit der Kontrolle über dieses Wissen politische Entscheidungen erwirken, auf den „Führer“ Einfluss ausüben zu können. Daher auch skizzierte er Anfang der 1940er Jahre den Mechanismus einer Atombombe und meldete dies als Patent an. Freilich scheiterte sein Unterfangen, erkannte er im Angesicht des NS-Regimes die Naivität seines Gedankengangs. Dennoch: Seitdem politisierte v. Weizsäcker die Atomforschung – zunächst gegenüber seinen wenig politischen Kollegen, später in aller Öffentlichkeit.

Nach dem Krieg kehrte v. Weizsäcker zwar an Heisenbergs Max-Planck-Institut für Physik zurück, wodurch es ihn nach Göttingen verschlug. Doch längst vertiefte er sich in philosophische Studien, wälzte die klassischen Traktate von Aristoteles über Kant und Leibniz zu Descartes und den Scholastikern, bahnte sich den Weg durch 2.000 Jahre philosophischer Schriften.[14]

1945 war er 33 Jahre alt. Er konnte also noch eine zweite Karriere beginnen – denn es hatte sich abgezeichnet, dass er in der Physik keinen Nobelpreis gewinnen würde, obgleich er schon einmal dafür im Gespräch gewesen war. Von Weizsäcker war sich seiner Grenzen in diesem Fach bewusst, fühlte sich gegenüber Freunden und Kollegen mathematisch unterlegen. Doch ein philosophisch beschlagener, politisch denkender Experte der Physik – das bot im gerade erst hereingebrochenen Zeitalter der Atombombe, in dem sich zwei ideologische Konzepte in Gestalt von Machtblöcken unversöhnlich gegenüberstanden und das Damoklesschwert des Dritten Weltkriegs über der Menschheit schwebte, eine neue berufliche Perspektive. Hier hatte er wenig Konkurrenz zu befürchten, denn so gut wie alle seine Kollegen kümmerten sich in erster Linie um den Fortgang der Kernphysik, waren in Berechnungen vertieft, experimentierten an großen und komplizierten Gerätschaften oder suchten händeringend staatliche Gelder aufzutreiben. Aber kaum jemand von ihnen hatte die Politik im Fokus, auch wenn sich viele durchaus Sorgen um den Ausbruch eines allesvernichtenden Atomkriegs machten.

Davon allerdings profitierte v. Weizsäcker: Er schwang sich zum politischen Denker der westdeutschen Kernphysiker auf. Gemeinsam mit Heisenberg formulierte er eine Sprachregelung gegenüber der Öffentlichkeit, welche Arbeit der deutschen Kernphysiker in der Zeit des „Dritten Reichs“ und Zweiten Weltkriegs als Beweis für die zuverlässige Beschränkung auf friedliche Anwendungsgebiete der Kernkraft interpretierte.[15] Nicht die deutschen, sondern die US-amerikanischen Physiker hatten ja schließlich, so v. Weizsäcker, Heisenberg & Co., die Atombombe entwickelt und sie unberechenbaren Politikern und Generälen überlassen. Von den deutschen Wissenschaftlern hingegen dürfte insoweit keine Gefahr ausgehen, da sie sich ja offenkundig in einer kritischen Situation erwiesenermaßen gegenläufig verhalten, auf die militärische Forschung unter Preisgabe kurzfristiger Vorteile verzichtet hatten. Zumal die Raketenforscher um Wernher v. Braun ja gezeigt hatten, in welchem Ausmaß sich mit der Aussicht auf vermeintlich kriegsentscheidende „Wunderwaffen“ während des NS-Regimes Forschungsgelder mobilisieren ließen.[16] Dass die Entscheidung gegen eine hochkonzentrierte Atomwaffenentwicklung unter den deutschen Kernphysikern nicht unbedingt ein Akt des Gewissens war, spielte dabei keine Rolle.

Diesen Kontrast wollten die westdeutschen Kernphysiker als Ausweis ihrer Redlichkeit und Gefahrlosigkeit nutzen. Und v. Weizsäcker schmiedete Pläne, wie dieses Ziel am besten zu erreichen wäre. Damit verknüpfte er sein persönliches Interesse an der eigenen Karriere mit den Absichten seiner Kollegen.

Außerdem konzipierte er Argumentationen, wie die Menschheit im atomaren Zeitalter bestehen könnte. Er kam zu der grundlegenden Schlussfolgerung, die Existenz von Atomwaffen – welche die Möglichkeit der sofortigen Vernichtung der menschlichen Spezies durch sich selbst bedeuteten – erfordere die Abschaffung des Kriegs. Und vor allem dürfte sich die Zahl der Atommächte nicht vergrößern – doch befand sich diese in den 1940er und 1950er Jahren bereits im Wachstum.

Von Weizsäcker machte sich folglich Gedanken zu einem epochalen Thema, zu dem es zum einen noch nicht viele Sachverständige gab und das zum anderen nach Strategien und Erklärungen verlangte. Er stieß also auf gesellschaftliche Nachfrage. Es fehlte ihm lediglich noch an Gelegenheiten, sich in der Öffentlichkeit an prominenter Stelle zu Wort zu melden.

Nach solchen Chancen suchte v. Weizsäcker in den 1950er Jahren. Er beriet sich mit seinem Chef und Freund Heisenberg. Und er wirkte an zentraler Stelle bei dem Mainauer Appell von Nobelpreisträgern im Jahr 1955 mit, den er im Wesentlichen verfasste und den u.a. Heisenberg, Hahn und Born unterschrieben. Doch die Mainauer Kundgebung war ein Misserfolg, erzielte kaum Resonanz in der Öffentlichkeit. Zugespitzt: Niemand las sie, sie verblieb für ihre Beteiligten eine biografische Anekdote und ein historisches Dokument ihrer politischen Stellungnahme.

Dieser Fehlschlag veranlasste v. Weizsäcker, über die Methode der öffentlichen Intervention nachzudenken. Wie, so fragte er sich, ließ sich eine wirkungsvollere Eingabe an Politiker und Bürger bewerkstelligen?

Bei einer zufälligen Begegnung konsultierte er den Theologen Martin Buber, der ihm einen entscheidenden Ratschlag gab: Die politischen Forderungen müssten mit einer persönlichen Konsequenz verknüpft werden.[17] Diesen Tipp beherzigte v. Weizsäcker bei der nächsten Gelegenheit. Diese kam im April 1957. Der Kanzler, Konrad Adenauer, machte vor den Mikrofonen und Notizzetteln der Presse eine erstaunlich unvorsichtige Äußerung – er bezeichnete Kernwaffen als eine bloße „Weiterentwicklung der Artillerie“. Viele Atomforscher sahen darin eine angesichts des Ernstes der Lage erschreckende Verharmlosung. Denn mochten die Militärs in der Tat in kleine bzw. taktische und große bzw. strategische Atomwaffen unterscheiden und sich nukleare Sprengköpfe auch als Granaten abfeuern – am Ende berücksichtigte diese Differenzierung doch nicht die radioaktive Strahlung, die unsichtbar zurückblieb und deren schädliche Wirkung kaum vorherzusehen und berechenbar war. Adenauers Wortwahl verheimlichte überdies die Zerstörungskraft selbst kleiner Atomwaffen, die inzwischen jene der Hiroshima- und Nagasaki-Bomben bei Weitem übertrafen, einen ganzen „Landstrich von der Größe des Ruhrgebietes zeitweilig unbewohnbar machen“ konnten, wie es wenig später in der Göttinger Erklärung hieß.

Protest der Physiker. Die „Göttinger Erklärung“ von 1957

Das Buch betrachtet die „Göttinger Erklärung“ als politisches Manifest und ergründet die politischen Wesenszügen seiner Unterzeichner – allesamt erklärte Nichtpolitiker.

Von Weizsäcker trommelte daraufhin eiligst Kollegen zusammen. Das glückte ihm rasch, denn die Manifestantenschaft rekrutierte sich aus einem Netzwerk westdeutscher Kernphysiker, die untereinander seit Langem befreundet und bekannt waren. Er nutzte somit Adenauers Kommentar, um einen Text an die Presse zu lancieren, eine politische Aktion einzuleiten. Anschließend transformierte er die kurzweilige öffentliche Aufmerksamkeit, die auf ihm als Kopf und Unterzeichner der Göttinger Erklärung lag, in eine beständige Tätigkeit als politischer Intellektueller.

Er gab Interviews und verfasste Zeitungsartikel über die Atomfrage, Journalisten schrieben Porträts über ihn. Dadurch gelang es ihm, die schlagartige Prominenz seiner Person zu verstetigen. Fortan konsultierten ihn Institutionen wie die Evangelische Kirche Deutschlands, die SPD wollte ihn später sogar als Bundespräsidentschaftskandidaten nominieren. Seinen Abschied von der Kernforschung hatte er bereits 1957 eingeleitet, indem er von Göttingen nach Hamburg auf einen Lehrstuhl für Philosophie wechselte.

Doch das genügte ihm anscheinend nicht. Von Weizsäcker zog die Fäden in der pazifistischen Vereinigung Deutscher Wissenschaftler, die gegen Atomwaffen kämpfte. Sie benutzte er als Plattform, um als politischer Vordenker in Erscheinung zu treten. Dabei beschränkte er sein Expertenwissen nicht allein auf Ansätze zur Verhütung eines Atomkriegs, sondern untersuchte noch andere existenzielle Problemlagen wie etwa die Ernährungslage der Weltbevölkerung oder die Zerstörung der Natur durch die unaufhörlich voranschreitende Technisierung. Das alles bezeichnete er als „Weltinnenpolitik“.

Doch noch immer fehlte etwas. Von Weizsäcker benötigte mehr Forschungsmittel und Mitarbeiter. 1970 schuf ihm die Max-Planck-Gesellschaft, in der er bestens vernetzt und für die er jahrelang tätig gewesen war, eine eigene Institution: das Max-Planck-Institut zur Erforschung der Lebensbedingungen der wissenschaftlich-technischen Welt, in einer Villa am Starnberger See.[18] Dieses leitete er als Direktor, gemeinsam mit Jürgen Habermas, bis zu seiner Emeritierung 1980. Als er fast 95-jährig Ende April 2007, ziemlich exakt fünfzig Jahre nach der Göttinger Erklärung, verstarb, würdigten ihn zahllose Nachrufe als „letzten universal gebildeten Gelehrten im deutschen Sprachraum“[19], gar als „Mystiker der europäischen Geistesgeschichte“[20]. Dieser bedeutsame Status nahm seinen Ausgang nicht zuletzt in der Göttinger Erklärung – ein wegweisender Moment seiner Karriere, auf den er durchaus systematisch hingearbeitet hatte.

Angst um das Ruhrgebiet: zu den Ursachen der Wirkung der Göttinger Erklärung

Medial-öffentliche Wirkung

Die Göttinger Erklärung war, insbesondere im Vergleich zur inhaltlich sehr ähnlichen Mainauer Kundgebung, eine wirkungsvolle öffentliche Intervention von Wissenschaftlern. Sie prangte auf den Titelseiten der großen Tageszeitungen und blieb wochenlang im politischen Gespräch. Sie veranlasste den Bundeskanzler zu einem eiligen Krisenmanagement – u.a. lud Adenauer notgedrungen eine Delegation der Göttinger Achtzehn zu einem klärenden Gespräch ins Bonner Kanzleramt.[21] Große Organisationen, darunter Gewerkschaften und die Evangelische Kirche Deutschlands, schlossen sich in öffentlichen Stellungnahmen den 18 Professoren an.

Neben seiner zeitgenössischen Wirkung war das Manifest auch historisch erfolgreich, da es – im Gegensatz zur Mainauer Kundgebung – fester Bestandteil von Abhandlungen zur bundesrepublikanischen Geschichte ist und durch sie auch einige weniger bedeutsame Physiker mit lexikalischen Einträgen bedacht worden sind.

Politische Wirkung

Politisch fällt die Bilanz der Göttinger Erklärung indes zwiespältig aus. Adenauer erklärte zwar, keine Atomwaffen für die Bundesrepublik beschaffen zu wollen; doch versuchte er über geheimdiplomatische Gespräche mit Frankreich und Italien ein Bündnis zur Verfügungsmacht über Kernwaffen zu schmieden.[22] Ganz gab der Bundeskanzler die Idee also nicht auf. Nicht zuletzt gewannen die Unionsparteien bei der darauffolgenden Bundestagswahl mit einem Rekordergebnis von 50,2 Prozent die absolute Mehrheit der Wählerstimmen – ein geschichtsträchtiger Triumph. Offenbar hatten die Wähler größere Angst vor einem Einmarsch der Roten Armee als vor einem Atomkrieg.[23] Sie gaben dem Schutzversprechen Adenauers jedenfalls an der Wahlurne den Vorzug gegenüber der eindringlichen Warnung der Wissenschaftler.

Ursachen der Wirkung

Was aber waren die Ursachen dieser medialen, historischen und politischen Wirkung? Bei der Göttinger Erklärung fielen erstaunlich günstige Faktoren zusammen. Erstens bot sie nicht weniger als 18 renommierte Unterzeichner auf, deren Sachverstand durch die Tätigkeit als Physiker und Chemiker nachgewiesen wurde, von denen überdies vier als Nobelpreisträger berühmt waren und die aufgrund ihres bürgerlichen Erscheinungsbildes und ihrer parteipolitischen Neutralität nicht im Verdacht standen, der sozialdemokratischen Opposition oder gar kommunistischen Organisationen zuzuneigen.

Zweitens traf das Manifest auf eine spannungsgeladene Situation, da gerade der Wahlkampf für die Bundestagswahl im Herbst 1957 begann, zudem die Konkurrenz um die Aufmerksamkeit der Medien in der zeitlichen Nähe zu den Osterfeiertagen außergewöhnlich gering war. In diesem politischen Umfeld ließ sich Adenauers Äußerung weitaus stärker skandalisieren als zu einem anderen Zeitpunkt.

Zumal fanden die Pressekommentatoren eine regelrechte Duellsituation zwischen dem Bundeskanzler sowie dessen Verteidigungsminister auf der einen und den Atomforschern auf der anderen Seite vor.

Drittens unterschied sich der Text in zwei ausschlaggebenden Punkten von der Mainauer Kundgebung zwei Jahre zuvor: Indem nicht alle Regierungen und Länder der Welt, sondern spezifisch die Bundesrepublik und deren Regierung adressiert waren, außerdem das Atomkriegsszenario auf konkrete Orte wie das Ruhrgebiet bezogen war, erreichte die Göttinger Erklärung eine starke Betroffenheit der westdeutschen Bevölkerung, die nun um ihr eigenes Leben, nicht das einer weitgehend anonymen Massen bangen musste.

Ferner war ihre politische Forderung weniger unrealistisch als die des Mainauer Appells. Denn sie verlangte nicht von bestehenden Atommächten die vollständige Abrüstung, sondern wollte die Geburt einer weiteren Atommacht, somit ein noch ausstehendes Ereignis verhindern. Und die Unterzeichner kündigten eine persönliche Konsequenz an, nämlich die Absicht, sich unter keinen Umständen „an der Herstellung, der Erprobung oder dem Einsatz von Atomwaffen in irgendeiner Weise zu beteiligen“.

Zwischen Aufklärung und Verschleierung: zur zivilgesellschaftlichen Bedeutung der Göttinger Erklärung

Diesseits der persönlichen Motive der Manifestanten bereicherte die Göttinger Erklärung die politische Debatte  und lieferte den Wählern Informationen für deren politische Urteilsbildung, gewährte eine neue Perspektive auf eine wichtige Frage der Politik. Sie klärte über die Risiken des Regierungskurses auf und schilderte mögliche Konsequenzen. In gewisser Weise stärkte das Manifest damit die Urteilskraft der Wähler, bot eine politische Alternative zum Regierungskurs, welche die parlamentarische Opposition zum damaligen Zeitpunkt nicht parat hielt bzw. nicht zum brisanten Thema gemacht hatte. Außerdem zwang es die Regierung, das politische Vorhaben öffentlich zu verteidigen, Argumente zu schärfen und Konzepte darzulegen.

Zugleich verzögerte das Manifest der Göttinger Achtzehn die Entstehung der Anti-AKW-Bewegung. Denn im letzten Satz der Göttinger Erklärung betonten die Unterzeichner, dass „es äußerst wichtig ist, die friedliche Verwendung der Atomenergie mit allen Mitteln zu fördern“. Mit ihrem Manifest avancierten sie einerseits zu Ikonen der Friedensbewegung, verteidigten andererseits die friedliche bzw. zivile Nutzung von Nuklearenergie als unbedingt wünschenswerten Beitrag zum technologischen Fortschritt der Zivilisation. Denn sie wollten Atomkraftwerke errichten und Forschungsreaktoren erwerben. Die damit verbundenen Risiken dürften ihnen indes nicht unbekannt gewesen sein. Dennoch setzten sie sich energisch für die Kernkraft ein, stellten sie als eine gefahrlose, beherrschbare und uneingeschränkt segensreiche Technologie dar.

Die Lehre von zwiespältigen Experten in der Politik

Die Analyse eines politischen Manifests kann die oftmals komplexen Beweggründe der Beteiligten aufdecken.[24] Die Motive zu ergründen, ist ein wichtiger Schritt, um politische Interessen sichtbar zu machen. Außerdem kann die Analyse die Wirkungsweise von zivilgesellschaftlichem Protest erhellen. Sie klärt, wie das Wechselspiel von hauptberuflichen Politikern und eigentlichen Nichtpolitikern funktioniert; wie auf der einen Seite Politiker außerpolitischen Sachverstand beziehen und auf der anderen Seite Nichtpolitiker politische Prozesse beeinflussen können.

Vor allem aber beschäftigt sich die Untersuchung mit dringenden Problemen des demokratischen Systems: Wie gehen Politiker und Wähler mit vorgeblichem Expertenwissen um? Unter welchen Bedingungen entstehen politische Intellektuelle?

Das Beispiel der Göttinger Erklärung demonstriert die ambivalente Rolle von Experten in der Politik. Indem sich die Atomforscher allesamt der Öffentlichkeit als parteipolitisch neutrale, überdies inhaltlich sachverständige Persönlichkeiten präsentierten – Persönlichkeiten also, die der weltanschaulichen Parteinahme unverdächtig und zugleich als Meister ihres Fachs in der fraglichen Angelegenheit außerordentlich kompetent sind –, galten sie weithin als Urheber eines zuverlässigen Urteils und als moralisch vorbildliche Figuren. Offenbar taugten sie dazu, die Sehnsüchte einer politisch interessierten Öffentlichkeit zu bedienen, das dringliche Bedürfnis nach inhaltlich beschlagenen und politisch unvoreingenommenen Fachmännern zu stillen.

Dieser Eindruck täuschte jedoch über die eigenen Interessen der 18 Manifestanten hinweg, die eben nicht sämtlich als unbefangene Experten auftraten, sondern zielstrebig ihre eigenen Zwecke verfolgten. Sie wollten die Öffentlichkeit von der angeblichen Notwendigkeit überzeugen, zivile Kernforschung zu fördern. Dabei enthielten sie der Öffentlichkeit zugunsten ihres Interesses an Forschungsgeldern Informationen vor, erwähnten zum Beispiel mit keinem Wort die durchaus bekannten Risiken und Probleme nuklearer Energieerzeugung.

Der Rat von Experten in der Politik, so zeigt die Göttinger Erklärung, sollte nicht vorbehaltlos befolgt und kurzerhand als sachlich richtige Alternative interpretiert werden. Diese Erkenntnis gewinnt gerade heute an Bedeutung, in einer Zeit, in der politische Akteure häufig ihre Entscheidungen mit dem pauschalen Verweis auf die Autorität vorgeblicher Spezialisten rechtfertigen.

Dieser Text entstand im Februar 2012.

Anmerkungen

[1] Diese waren: Fritz Bopp, Max Born, Rudolf Fleischmann, Walther Gerlach, Otto Hahn, Otto Haxel, Werner Heisenberg, Hans Kopfermann, Max v. Laue, Heinz Maier-Leibnitz, Josef Mattauch, Friedrich-Adolf Paneth, Wolfgang Pauli, Wolfgang Riezler, Fritz Straßmann, Wilhelm Walcher, Carl Friedrich Frhr. v. Weizsäcker und Karl Wirtz.

[2] Abgedruckt u.a. in: Weizsäcker, Carl Friedrich v.: Bewußtseinswandel, München/Wien 1988, S. 384 ff.

[3] Siehe beispielhaft o.V.: 18 deutsche Forscher warnen vor Atomwaffen, in: Die Welt, 13.04.1957; o.V.: Beschwörender Appell der deutschen Atomforscher, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.04.1957.

[4] Vgl. Rupp, Hans Karl: Außerparlamentarische Opposition in der Ära Adenauer. Der Kampf gegen die Atombewaffnung in den fünfziger Jahren. Eine Studie zur innenpolitischen Entwicklung in der BRD, Köln 1980, S. 81 u. Fußnote 403/S. 81 f.

[5] Siehe z.B. Hauswedell, Corinna: Die „Göttinger 18“ und das friedenspolitische Engagement von Wissenschaftlern heute, in: Wissenschaft & Frieden, Dossier Nr. 25, H. 2/1997; Bentele, Ulrich: „Wir sind dem Risiko entgangen, Atommacht zu werden“ (Interview mit Eberhard Umbach vom 11.04.2007), in: tagesschau.de, [eingesehen am 02.01.2008]; Becker, Hellmut: Zum Verhältnis von Wissenschaft und Politik, in: Meyer-Abich, Klaus Michael (Hg.): Physik, Philosophie und Politik. Festschrift für Carl Friedrich von Weizsäcker zum 70. Geburtstag, München/Wien 1982, S. 377–388, hier S. 385; Hoffmann, Klaus: Forschung und Verantwortung. Otto Hahn. Konflikte eines Wissenschaftlers, Frankfurt am Main 2005, S. 207 f.; kritische Vermerke lediglich bei Schwarz, Hans-Peter: Adenauer. Der Staatsmann: 1952–1967, Stuttgart 1991, S. 334; Radkau, Joachim: Aufstieg und Krise der deutschen Atomwirtschaft 1945–1975. Verdrängte Alternativen in der Kerntechnik und der Ursprung der nuklearen Kontroverse, Hamburg 1983, S. 100; Rese, Alexandra: Wirkung politischer Stellungnahmen von Wissenschaftlern am Beispiel der Göttinger Erklärung zur atomaren Bewaffnung, Frankfurt am Main u.a. 1999, S. 205.

[6] Vgl. dazu Lorenz, Robert: Protest der Physiker. Die „Göttinger Erklärung“ von 1957, Bielefeld 2011.

[7] Siehe etwa Born, Max: „Ich trete ein für Aufklärung“, in: Der Spiegel, 24.04.1957; ders.: Physik im Wandel meiner Zeit, Braunschweig 1957.

[8] Vgl. Noelle-Neumann, Elisabeth/Neumann, Erich Peter (Hrsg.): Jahrbuch der öffentlichen Meinung 1957, Allensbach am Bodensee 1957, S. 363; Deutinger, Stephan: Eine „Lebensfrage für die bayerische Industrie“. Energiepolitik und regionale Energieversorgung 1945 bis 1980, in: Schlemmer, Thomas/Woller, Hans (Hg.): Bayern im Bund, Bd. 1, München 2001, S. 33–118, hier S. 106.

[9] Siehe u.a. Hahn, Otto: Die Nutzbarmachung der Energie der Atomkerne, in: ders.: Erlebnisse und Erkenntnisse, Düsseldorf/Wien 1975, S. 188; Heisenberg, Werner: Atomtechnik im Frieden (Vortrag am 07.12.1951 vor der „Wirtschaftlichen Gesellschaft“ in Münster), in: Gesammelte Werke. Collected Works, hg. von: Blum, Walter/Dürr, Hans-Peter/Rechenberg, Helmut, Bd. 5, München 1989, S. 128 ff.; o.V.: Für Atombombe unzuständig, in: Die Welt, 02.02.1950.

[10] Vgl. Fischer, Peter: Atomenergie und staatliches Interesse: Die Anfänge der Atompolitik in der Bundesrepublik Deutschland 1949-1955, Baden-Baden 1994, S. 261 f.; Strauß, Franz Josef: Die Erinnerungen, Berlin 1989, S. 231 f. u. S. 328; Protokoll des CDU-Bundesvorstands Nr. 16 vom 20.09.1956, abgedruckt in: Buch­stab, Günter (Bearb.): Adenauer: „Wir haben wirklich etwas geschaffen.“ Die Protokolle des CDU-Bundesvorstands 1953–1957, Düsseldorf 1990, S. 1081.

[11] Vgl. Herbig, Jost: Kettenreaktion. Das Drama der Atomphysiker, München/Wien 1976, S. 333 ff.

[12] Vgl. im Folgenden Drieschner, Michael: Carl Friedrich von Weizsäcker. Eine Einführung, Wiesbaden 2005; Schirrmacher, Arne: Wiederaufbau ohne Wiederkehr. Die Physik in Deutschland nach 1945 und die historiographisch Problematik des Remigrationskonzepts, Arbeitspapier des Münchner Zentrums für Wissenschafts- und Technikgeschichte 2005, S. 7 f.; Völklein, Ulrich: Die Weizsäckers. Macht und Moral – Porträt einer deutschen Familie, München 2004, S. 221 f.; Weizsäcker, Carl Friedrich v.: Der Garten des Menschlichen. Beiträge zur geschichtlichen Anthropologie, München/Wien 1977, S. 564 f.

[13] Vgl. dazu Hattrup, Dieter: Carl Friedrich von Weizsäcker. Physiker und Philosoph, Darmstadt 2004, S. 163 f., S. 166 u. S. 198 f.; Weizsäcker, Carl Friedrich v.: Ich – Du und Ich – Es in der heutigen Naturwissenschaft, in: Merkur, Jg. 12 (1958) H. 120, S. 124–128; ders.: Wege in der Gefahr. Eine Studie über Wirtschaft, Gesellschaft und Kriegsverhütung, München/Wien 1976, S. 203 f.

[14] Siehe v. Weizsäcker 1988, S. 318 f.

[15] Vgl. Hoffmann, Dieter: Operation Epsilon, in: ders. (Hrsg.): Operation Epsilon. Die Farm-Hall-Protokolle oder Die Angst der Alliierten vor der deutschen Atombombe, Berlin 1993, S. 9-59.

[16] Vgl. insgesamt Neufeld, Michael J.: Wernher von Braun. Visionär des Weltraums – Ingenieur des Krieges, München 2009.

[17] Lindner, Konrad: Carl Friedrich von Weizsäckers Wanderung ins Atomzeitalter. Ein dialogisches Selbstporträt, Paderborn 2002, S. 121.

[18] Vgl. hierzu Hattrup 2004, S. 175–180.

[19] Lindinger, Manfred: Synthesen eines Jahrhundertmannes, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.04.2007.

[20] Podak, Klaus: Ein aufgeklärter Mystiker, in: Süddeutsche Zeitung, 30.04.2007.

[21] Vgl. Herbig 1976, S. 466 f.; o.V.: Kanzler und Atomforscher dringen auf Abrüstung, in: Die Welt, 18.04.1957.

[22] Vgl. Schwarz 1991, S. 364-401.

[23] Vgl. Kitzinger, Uwe W.: Wahlkampf in Westdeutschland. Eine Analyse der Bundestagswahl 1957, Göttingen 1960, S. 211-216; Walter, Franz: Erich Ollenhauer. Lauterkeit und Phlegma, in: Forkmann, Daniela/Richter, Saskia (Hrsg.): Gescheiterte Kanzlerkandidaten. Von Kurt Schumacher bis Edmund Stoiber, Wiesbaden 2007, S. 45–61, hier S. 54 u. S. 58.

[24] Zum Wesen politischer Manifeste vgl. Klatt, Johanna/Lorenz, Robert (Hrsg.): Manifeste: Geschichte und Gegenwart des politischen Appells, Bielefeld 2011.